Politik

Keine Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit von Regierungshandeln?!

Schwarzer Tag für Oppositionsrechte!


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Wisuschil - Media & Law - Das BVerfG weist in seiner heutigen Pressemitteilung Nummer 87/2018 darauf hin, dass ein Organstreitverfahren nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage eröffnen würde. Das wurde am 11. Dezember 2018 durch einen Beschluss unter dem Aktenzeichen 2 BvE 1/18 entschieden.
Nach dieser Auslegung der Organklagebefugnis für oppositionelle Parlamentarier und Bundestagsfraktionen ist der Weg für eine Überprüfung von Regierungshandlungen auf deren materielle Verfassungsmäßigkeit hin zur Gänze versperrt worden: Womit eine entsprechende verfahrensrechtliche Entmachtung parlamentarischer Minderheiten zwingend einher geht.

Der Verfasser verlinkt insoweit zunächst einmal die vorgenannte Pressemitteilung des BVerfG zum Zwecke der Eigenrecherche der Leserinnen und Leser - wie folgt:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-087.html
Wird wird die besagte Beschluss-Entscheidung in dieser Causa nachfolgend ebenso verlinkt:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/12/es20181211_
2bve000118.html

Maßgebliches Herzstück derselben im Hinblick auf die vorerwähnte historische Beschneidung von parlamentarischen Minderheitenrechten im Allgemeinen, und dies mit Wirkung inter omnes, ist die nachfolgend wörtlich zitierte Passage aus diesem BVerfG-Beschluss:
Unter dem Gliederungspunkt I. 2. b) für das BVerfG dort aus:

“ (“¦) Bei dem Organstreit handelt es sich um eine kontradiktorische Parteistreitigkeit (vgl. BVerfGE 126, 55 <67>; 138, 256 <258 f. Rn. 4>); er dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. BVerfGE 104, 151 <193 f.>; 118, 244 <257>; 126, 55 <67 f.>; 140, 1 <21 f. Rn. 58>; 143, 1 <8 Rn. 29>; stRspr). (...)
(..) Kern des Organstreitverfahrens ist auf Seiten des Antragstellers die Durchsetzung von Rechten (vgl. Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 64 Rn. 19; vgl. auch BVerfGE 67, 100 <126>; 124, 78 <113>; 143, 101 <132 Rn. 104>). Der Organstreit eröffnet daher nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage (vgl. BVerfGE 118, 277 <319>; 126, 55 <68>; 138, 256 <259 Rn. 5>; 140, 1 <21 f. Rn. 58>). Für eine allgemeine oder umfassende, von eigenen Rechten des Antragstellers losgelöste, abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einer angegriffenen Maßnahme ist im Organstreit kein Raum (vgl. BVerfGE 73, 1 <30>; 80, 188 <212>; 104, 151 <193 f.>; 118, 277 <318 f.>; 136, 190 <192 Rn. 5>). (...)
(...) Das Grundgesetz kennt keinen allgemeinen Gesetzes- oder Verfassungsvollziehungsanspruch, auf den die Organklage gestützt werden könnte (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 64 Rn. 63 [Januar 2017]). Auch eine Respektierung sonstigen (Verfassungs-) Rechts kann im Organstreit nicht erzwungen werden; er dient allein dem Schutz der Rechte der Staatsorgane im Verhältnis zueinander, nicht aber einer allgemeinen Verfassungsaufsicht (vgl. BVerfGE 100, 266 <268>; 118, 277 <319>). Das Grundgesetz hat den Deutschen Bundestag als Gesetzgebungsorgan, nicht als umfassendes “Rechtsaufsichtsorgan“ über die Bundesregierung eingesetzt. (...)
Aus dem Grundgesetz lässt sich kein eigenes Recht des Deutschen Bundestages dahingehend ableiten, dass jegliches materiell oder formell verfassungswidrige Handeln der Bundesregierung unterbleibe (vgl. BVerfGE 68, 1<72 f.>; 126, 55 <68>).“

Insoweit muss man sich - jenseits parteipolitischer Animositäten - über die Folgen dieser Auslegungspraxis zur Organklagebefugnis oppositioneller Abgeordneter sowie deren Bundestagsfraktionen bewusst werden. Denn zwingend ist diese Rechtsauffassung in keiner Weise. Bei Verfassungsbeschweren muss etwa auch die Verletzung subjektiver verfassungsrechtlicher Positionen gerügt werden, damit die Hürde der Zulässigkeit überwunden wird.
Allerdings erfolgt sodann durchaus auch eine Prüfung der objektiven Verfassungsmäßigkeit des beschwerdegegenständlichen Staatshandelns.

Demgemäß leuchtet es dem Verfasser nicht ein, warum das BVerfG ausgerechnet bei der wesentlich relevanteren Organklage seinen Prüfungsmaßstab und seine Kontrollkompetenz künstlich einschränkt. Die Folge hiervon ist nämlich eine Lücke in der Kontrollierbarkeit staatlichen Exekutivhandelns - explizit hinsichtlich der Einhaltung der Verfassungskonformität bestimmter Regierungshandlungen: Eine gravierende Entrechtung parlamentarischer Minderheiten. Geradezu katastrophal - nach der Bewertung des Verfassers.
Diesbezüglich soll auf eine Einlassung des Bonner Staatsrechtslehrer Professor Klaus Ferdinand Gärditz hingewiesen werden, welcher dieser heute in Bezug zu einer Berichterstattung über die auch hier erörterte Grundsatzentscheidung im “Legal Tribune Online“ getätigt hat. Diese Quelle wird hiermit ebenfalls für Eigenrecherchen verlinkt:

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverfg-2bve1-18-afd-organstreit-bundesregierung-fluechtlingspolitik-unzulaessig/

Der betreffende Staatsrechtslehrer Gärditz führt hierzu - wörtlich aus der vorverlinkten Quelle zitiert - Folgendes aus:
"Es ist völlig richtig, dass das Grundgesetz keinen allgemeinen Verfassungsvollzugsanspruch als Organrecht kennt".

Der “Legal Tribune Online“ merkt sodann in Gestalt eines sinngemäßen Zitates dieses Staatsrechtslehrers weitergehend an:

“Zwar sei die Regierung über Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an das geltende Recht gebunden. Dem korrespondiere aber kein Anspruch einzelner Personen oder Organe, dass das geltende Recht beachtet werde.“
Ja das ist natürlich - “pfundig“. Dass in der Verfassung die Kardinalspflicht zur unbedingten Verfassungsmäßigkeit auch des Organhandelns der höchsten Regierungsspitzen nachdrücklich verankert ist: Dass es aber dann keinerlei Kontrollinstanzen, Prüfungs- und Rügekompetenzen oder gar Sanktionsmöglichkeiten geben soll - wenn sich diese Regierungsspitzen eben nicht an die Verfassung halten. Verwunderlich sind solche Standpunkte auch deswegen, da es im Rechtsstaat keinerlei Sachverhalte geben darf, die einer gerichtlichen Kontrolle entzogen wären. Vielmehr hat der Rechtsschutz absolut lückenlos zu sein. Wobei durchaus ein Justizgewährungsanspruch mit all dem einhergeht. Dieser folgt etwa aus Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz - hier ggf. analog.
Insoweit ist die hier erörterte Spruchpraxis des BVerfG scharf zu tadeln, da diese zugunsten der Regierung und zum Nachteil der Opposition eine nach Maßstäben der Rechtsstaatlichkeit schlechthin inakzeptable Prüfungs-, Kontroll- und Sanktionierungslücke schafft. Nach der Bewertung des Verfasser - vollkommen ohne Not; ja geradezu pflichtwidrig. Es kann und darf nicht sein, dass die Regierung in ihrem Handeln hinsichtlich dessen Verfassungskonformität de facto keinerlei Kontrolle unterworfen ist. Das wäre in einem Rechtsstaat ein zum Himmel schreiender Miss-Stand, welcher als schlechthin intolerabel geächtet werden müsste.
In Ansehung der hier erörterten zielwidrigen Grundsatzentscheidung erhebt der Verfasser daher die rechtspolitische Forderung nach der Schaffung einer “Allgemeinen Beanstandungsklage“ zur Schließung der oben dargestellten rechtsstaatswidrigen Kontrolldefizite. Ein solches dringend notwendiges Verfassungsstreitverfahren sollte im Verfassungsverfahrensrecht explizit kodifiziert werden: Wobei hier neben Bundestagsabgeordneten, Bundestagsfraktionen und politischen Parteien, die beim Organklageverfahren auch ohne im Parlament vertreten zu sein klagebefugt sind, zudem auch Gewerkschaften, Stiftungen, Medien- und Journalistenverbände, sowie sonstige NGOs klagebefugt sein müssten, soweit deren Satzungen entsprechende Zwecksetzungen enthalten.
Als Beispiel für solche NGOs führt der Verfasser etwa Amnesty International oder Transparency International an. Eine solche Verfassungsklageart müsste der bisherigen Organklage als eine Art “Spezialfall“ derselben normologisch nachgebildet werden.

Wisuschil - Media & Law
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